Biodiversität auf dem Dach fördern

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Publiziert am 23. Dezember 2024

6 Minuten Lesezeit

  • Flechten

  • Insekten

  • Moose

  • Pflanzen (Stauden, Gehölze)

  • Pilze

Begrünte Dächer sind grüne Inseln über versiegeltem Boden. Als Extremstandorte bieten sie – wenn richtig angelegt – Lebensraum für Pflanzen und flugfähige Tiere. Sie verbessern das Mikroklima, filtern Schadstoffe und verlängern die Lebensdauer des Daches.

Darum geht's

  • Ein begrüntes Dach ist eine bepflanzte Dachfläche, die Lebensraum für Tiere und Pflanzen bietet und das Stadtklima verbessert.

  • Unterschiedliche Substratschichten mit Hügeln und Mulden schaffen unterschiedliche Feuchtigkeitszonen – ideale Bedingungen für vielfältige Pflanzen, darunter auch feuchteliebende Orchideen

  • Dachbegrünungen speichern Regenwasser, kühlen die Umgebung, filtern Schadstoffe und verlängern die Lebensdauer des Daches.

Dachbegrünung: Vorteile für Natur und Klima

Je nach Mächtigkeit der Auflage und Wasserrückhaltevermögen des Substrats können Dächer unterschiedlich begrünt werden, extensiv oder intensiv. 

Ist das Substrat weniger als 20 cm dick, ist das Dach ein Extremstandort, welcher von Nährstoffarmut, Trockenheit und kurzzeitiger Staunässe nach Niederschlägen sowie von starken Winden und hohen Temperaturen geprägt ist. Das Dach kann dann nur extensiv begrünt werden mit Pflanzen, welche an diese speziellen Standortbedingungen angepasst sind. In erster Linie sind das Pflanzen von Magerwiesen, Felsschuttfluren oder Kiesbänken. 

 Noch wertvoller werden extensiv begrünte Dächer, wenn das Substrat nicht flach, sondern in einer vielfältigen Topografie mit kleinen Hügeln aufgebracht wird. Dann entwickeln sich weitere Standortbedingungen, die stellenweise auch höher wachsenden Stauden ein Aufkommen ermöglichen. Gibt es Stellen, an denen das Wasser schlecht abfliesst und die somit länger feucht bleiben, entwickeln sich ideale Bedingungen für Orchideen feuchter Standorte. Extensive Begrünung wird meist bei Dächern verwendet, die nicht genutzt werden, also unbegehbar sind. Dort ist es besonders von Vorteil, dass die an den Standort angepasste Vegetation kaum Pflege benötigt (ausser Neophytenbekämpfung). Sie eignet sich auch zur Begrünung von Garagendächern und der Überdachung von Abfallcontainern etc. 

Intensive Dachbegrünung mit üppiger Bepflanzung wird meist nicht flächendeckend auf dem ganzen Dach angelegt, sondern nur zur Ergänzung und Aufwertung von grösseren Aufenthaltsbereichen. Sie bedingt intensive Pflege, insbesondere Bewässerung und Düngung, da den Pflanzen die Verbindung zum gewachsenen Boden fehlt. Solche Dächer können fehlende oder zu knappe private oder halb­private Räume im Wohnumfeld ergänzen, wenn sie z. B. zur Gemüseproduktion, als Nachbar-Treffpunkte oder als Spiel- und Erholungsräume genutzt werden. 

In Städten sind begrünte Flach- und Schrägdächer ökologisch wichtige «Lebensrauminseln». Durch Samenflug, Vögel und Insekten stehen sie im Austausch mit anderen naturnahen Lebensräumen und tragen so zur Vernetzung von flugfähigen Organismen in Siedlungsgebieten bei. Insbesondere extensiv begrünte Dächer sind ungestörte Ersatzlebensräume für spezialisierte Insekten und Pflanzen magerer Standorte wie Ruderalflächen oder Magerwiesen, welche in der Landschaft selten geworden sind. 

Begrünte Dächer halten ausserdem einen Teil des Niederschlagswassers zurück, reduzieren die Umgebungstemperatur und tragen damit zu einem günstigen Mikro­klima in der Stadt bei. Die Pflanzen filtern Schadstoffe aus der Luft und schützen das Dach vor UV-Strahlen, wodurch sich seine Lebensdauer verlängert. Auch Fotovoltaik-Anlagen können mit der passenden Begleitbegrünung bei der Energieproduktion positiv unterstützt werden.

Herbstaspekt einer Blumenwiese auf einem begrünten Garagendach mit mächtiger, modellierter Substratschicht (Felsenau, Bern)© Sabine Tschäppeler

Aufbau einer Dachbegrünung

Der Aufbau einer Dachbegrünung ist abhängig von der primären Funktion, welche das Dach hat. Grundsätzlich sorgt ein Schichtaufbau für ein dauerhaftes Pflanzenwachstum und eine sichere Ableitung von Überschusswasser:

Extensive Dachbegrünungen lassen sich in einschichtiger Bauweise ausführen, das heisst, die Drainage-, Filter- und Vegetationstragschicht (Schichten 3–5) werden durch eine Lage Mineralsubstrat ersetzt. 

Die Zusammensetzung und die Mächtigkeit der einzelnen Schichten beeinflussen die Dachlast, das Erosions- und Brandverhalten, die Begehbarkeit, den Pflegeaufwand, die Biodiversität, den Wasserrückhalt, die Verdunstungsleistung sowie die Drainage­wasserqualität.

Diese Tiere profitieren von einer Dachbegrünung

Begrünte Dächer sind in der Regel nur für flugfähige Tiere oder für Tiere, die sehr gut klettern können, erreichbar. Trotzdem sind gerade extensiv begrünte Dächer ideale Lebensräume, da die Tiere dort praktisch ungestört leben können. Beispiele für Tierarten, die von begrünten Dächern profitieren können:

Diese Pflanzen profitieren von einer Dachbegrünung

Dächer begrünen sich selbstständig, es geht jedoch länger, bis sich eine geschlossene Vegetation gebildet hat. Mit Einsaat oder Bepflanzung kann das Artenspektrum erweitert werden. Entscheidender Faktor für das Gedeihen ist die Zusammensetzung und Dicke der Substratschicht.

Auf Dächern können sich auch invasive Neophyten wie die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) oder das Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus) etablieren. Besonders nicht genutzte, extensiv gepflegte Dächer können zu Ausbreitungszentren für die Umgebung werden.

Was eine Dachbegrünung besonders wertvoll macht

  • Substratschichtdicke - Die Mächtigkeit sollte mindestens 10 cm betragen. Je dicker die Tragschicht ist, desto grösser kann die Pflanzenvielfalt werden. Ab 15 cm Mächtigkeit ist die Anlage einer Trockenwiese möglich. 

  • Saatmischung - Wenn die natürliche Begrünung durch eine Einsaat ergänzt werden soll, dann auf einheimisches, standortgerechtes Saatgut regionaler Herkunft achten. Dies ermöglicht eine grosse Artenvielfalt von trockenheitsangepassten Wildpflanzen. 

  • Topografie - Unterschiedliche Substratschichtdicken, die zu kleinen Hügeln und Mulden modelliert sind, schaffen auf kleinem Raum unterschiedliche Standortbedingungen. 

  • Kleinstrukturen - Steinhaufen, Sandlinsen, Wurzelstrünke, Totholzhaufen oder kleine Wasserflächen ergeben Nistplätze, Nahrung, Verstecke und Kinderstuben für Tiere.

  • Extensive Begrünung - Ein Verzicht auf Düngung und Bewässerung fördert das Entstehen eines ökologisch besonders wertvollen, da mageren Trocken- oder Wechselfeuchtstandorts. 

  • Verbindung zum Boden - Ist das Dach über Fassadenbegrünung oder eine bauliche Verbindung mit dem Boden verbunden, können es auch nicht flugfähige Arten erreichen und nutzen. 

  • Substrat - Natürliche Bodenmaterialien wie Unterboden oder Wandkies aus der Region sind ökologisch wertvoller als der Einsatz von mineralischen und künstlich hergestellten Leichtsubstraten und kommen den Bedingungen eines natürlichen Magerstandorts am nächsten. 

Ein eigenes begrüntes Dach schaffen

Praktisch alle Dächer können begrünt werden: Hausdächer (Flach- und Schrägdach), Garagendächer, aber auch Velounterstände und sogar Briefkästen.

Zwei Wege führen zum ökologisch wertvoll begrünten Dach:
Sie werten ein bestehendes Kiesdach oder eine bestehende Dachbegrünung durch Artenanreicherung auf (s. Aufwertung). Oder Sie erstellen ein begrüntes Dach komplett neu (s. Neuanlage). 

Dachbegrünung planen und anlegen

Dachbegrünung im Frühling (Zürich)© Jasmin Zgraggen

Dachbegrünungen richtig pflegen – für dauerhafte Biodiversität

Kosten & Zeitaufwand einer Dachbegrünung: Das sollte man wissen

  • Saatgut: um die 1.00‒8.00 CHF/m2, sehr unterschiedlich je nach Anbieter, Zusammensetzung und Gewinnungsart

  • EPDM-Kautschukfolie (1.5 mm Dicke): ca. 30.00 CHF/m2 

  • Vlies: 2.00–5.00 CHF/m2

  • Wandkies (gemischte Korngrösse, unsortiert) als Substrat für Extensivbegrünung: Die Preise pro m3 sind regional sehr unterschiedlich.

Die Anlage einer Dachbegrünung setzt Erfahrung und Wissen bezüglich Stabilität, Wasserabfluss und Sicherheit voraus. Beauftragen Sie daher Fachpersonen. Folie und Vlies werden normalerweise vom Dachdecker verlegt, Gartenbaubetriebe sind für die Begrünung zuständig. Diese kooperieren z. T. mit anderen Firmen, die helfen, das Substrat auf das Dach zu bringen. Die Kosten für das Erstellen eines Extensivdachs sind höher als für ein unbegrüntes Dach. Allerdings verlängert eine Extensivbegrünung die Lebensdauer. Die Kosten für eine Intensivbegrünung sind entsprechend der Ausstattung nochmals höher. In die Kostenkalkulation sollte auch der Effekt, dass begrünte Dächer Regenwasser zurückhalten und gleichzeitig kühlen und damit weniger Gebühren für Abwasser und Energie anfallen, einbezogen werden. 

Da sich die Kosten je nach Ausführung der Begrünung, Grösse, Zugänglichkeit des Dachs sowie je nach Vorgehen des Unternehmens unterscheiden, lohnt es sich, Offerten einzuholen. Die Kosten für Planung und Baustelleninstallation können bei einer Dachbegrünung zusätzlich ins Gewicht fallen.

Auch die Pflege Ihrer Dachbegrünung, was bei einer Extensivbegrünung v. a. das Jäten umfasst, können Sie vom Gartenbauunternehmen machen lassen. Die Kosten dafür variieren stark und hängen vom Aufwand und den verwendeten Methoden ab (Jäten, Schaben, thermisches Verfahren). Auch hierzu lohnt es sich, Offerten einzuholen.

Sedum-Pflanzen – ideal für extensive Dachbegrünungen: pflegeleicht, trockenheitsresistent und bienenfreundlich© mauritius images / Rupert Oberhäuser

Material für eine Dachbegrünung: Einkauftipps

Gesetzliche Grundlage

Viele Städte und Gemeinden haben in ihrer Grundordnung Vorgaben zur Begrünung von Dächern. 

Art. 6 Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer GSchG: Gewässer dürfen nicht durch Fremdstoffe beeinträchtigt werden. Dachflächen, die in eine Versickerungsanlage oder ein Fliessgewässer entwässern, dürfen nicht gedüngt werden. 

Art. 41 Bauarbeitenverordnung, BauAV: Ab einer Höhe von 2 m sind Massnahmen zu treffen, um Abstürze zu verhindern.

Quellen und weiterführende Informationen

Praxishandbuch Stadtnatur des Haupt Verlags

Siedlungsräume bieten auf engem Raum viele Lebensräume und sind wichtig für die Biodiversität. Dieses Praxishandbuch zeigt, wie Lebensräume erhalten und neu geschaffen werden – und was jede:r tun kann, damit Städte für Tiere und Pflanzen attraktiv bleiben.

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