Invasive Arten erkennen und bekämpfen

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Publiziert am 15. Juni 2025

4 Minuten Lesezeit

  • Amphibien

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Ob Garten oder Gewässer – invasive Arten sind eine stille Bedrohung für Natur, Mensch und Wirtschaft. Sie breiten sich rasch aus, verdrängen einheimische Arten und bringen ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht. Doch es gibt wirksame Strategien zur Eindämmung.

Darum geht's

  • Neobiota sind durch Menschen eingeschleppte Pflanzen, Tiere und Pilze, die nach 1500 in neue Gebiete gelangten.

  • Invasive Arten bedrohen Biodiversität, verursachen wirtschaftliche Schäden und beeinträchtigen Ökosystemleistungen.

  • Effektive Bekämpfung durch frühzeitiges Handeln, lokale Vernetzung und gezielte Prophylaxe kann die Ausbreitung invasiver Neobiota eindämmen.

Neobiota: Wie invasive Arten Ökosysteme bedrohen und was hilft

Der Begriff Neobiota bedeutet so viel wie «neue Lebewesen» und umfasst Neophyten (Pflanzen-), Neozoen (Tier-) und Neomyceten (Pilzarten). Ihnen gemeinsam ist, dass sie nach dem Jahr 1500 durch menschliches Zutun in ferne Gebiete gelangt sind, die vom Ursprungsort natürlicherweise durch Ozeane, Wüsten oder Hochgebirge getrennt sind. Der Zeitpunkt 1500 hat mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Kolumbus zu tun, da dies der Beginn einer neuen Epoche mit weltumspannendem, intensivem Pflanzentransfer war. 

Invasive Neobiota

Einige wenige der gebietsfremden Arten können sich stark und schnell – oft sogar weltweit – ausbreiten und dabei massive Schäden verursachen:

Im September 2023 ist ein Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES zu invasiven Neobiota erschienen. Er zeigt die negativen Auswirkungen invasiver Arten auf und stellt dringenden Handlungsbedarf fest. Invasive, gebietsfremde Arten sind eine der fünf Hauptursachen für den globalen Biodiversitätsschwund.

Neophyten

Einige Neophytenarten sind unabsichtlich, quasi als blinde Passagiere mit Waren, in Reifen oder Schuhsohlen zu uns gelangt, wie das Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens). Die meisten Arten wurden jedoch absichtlich eingeführt, weil sie so schön blühen oder weil man sich einen anderen Nutzen von ihnen versprochen hat (Bienenweide, Sichtschutz, Viehfutter und vieles mehr). Diese Arten wurden in Gärten gepflanzt, bewundert und sorgsam gehegt. Einige verbreiteten sich von dort in die Lebensräume ausserhalb der Gärten und schliesslich auch aus den Städten und Dörfern hinaus. So bildet der Siedlungsraum ein Ausbreitungszentrum für die meisten Neophytenarten. Er trägt deshalb eine besondere Verantwortung im Umgang mit gebietsfremden Pflanzen. 

Die meisten dieser Arten fügen sich ohne negative Konsequenzen in die natürliche Vegetation ein. Und sie bereiten den Menschen Freude, indem sie die einheimische Flora durch neue Blühaspekte ergänzen. 

Invasive Neophyten

Anders sieht es mit den invasiven Neophyten aus. Die sind zwar auch schön und nützlich. Der Schaden, den sie verursachen, steht jedoch in keinem Verhältnis zum Gewinn. Glücklicherweise wird nur ein kleiner Anteil der gebietsfremden Arten invasiv. Bis heute haben sich 730 gebietsfremde Pflanzenarten in der Schweiz etabliert, davon sind 89 als invasive Arten eingestuft. Dies entspricht rund 2.5 % der gesamten Flora der Schweiz und ca. 12 % der Neophyten. Folglich werden nur rund 12 % der neu etablierten Arten invasiv. 

Ob eine Art als invasiv eingestuft werden soll, ist komplex und wird laufend überprüft. Einige Zierpflanzen halten sich über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte in Gärten still, bis sie plötzlich eine Invasionstendenz zeigen. Zudem gelangen mit dem globalen Handel und Tourismus laufend neue Arten in die Schweiz. 

In der Schweiz wird die Beurteilung des Invasivitätspotenzials periodisch nach dem «Kriterienkatalog zur Beurteilung invasiver Neophyten» von Fachleuten durchgeführt. Daraus resultiert die Liste der invasiven und potenziell invasiven Neophyten der Schweiz. Die invasiven Neophyten dieser Liste verursachen nachweislich einen Schaden in der Umwelt. Bei den potenziell invasiven Arten ist von einem Schaden auszugehen. Die aktuellen Listen sowie Informationsblätter zu den Arten mit den empfohlenen Bekämpfungsmassnahmen sind bei InfoFlora auffindbar.

Im Neophytenfeldbuch, publiziert unter www.infoflora.ch, ist dargestellt, wo Invasive Neophyten gemeldet wurden und wo sie mit welchem Erfolg bekämpft werden. 

Mit der einfach zu bedienenden, kostenlosen «InvasivApp» können Bestände invasiver Neophyten, aber auch deren Bekämpfung erfasst werden. Mit dieser App erhobene Daten werden automatisch in das Neophytenfeldbuch integriert und dienen damit der öffentlich verfügbaren Übersicht über die Entwicklung.

Bekämpfung von Neophyten

Die meisten Städte und viele Gemeinden bekämpfen invasive Neophyten. Das Ziel davon ist, möglichst viel Platz für die Artenvielfalt zu sichern und Schäden möglichst gering zu halten. Da sich die problematischen Arten kaum mehr eliminieren lassen, ist Eindämmung das Thema. Dies bedeutet, dass die weitere Ausbreitung verhindert wird. Dazu müssen die Pflanzen zuerst weitmöglichst dezimiert werden. Mit der Zeit nimmt der Samenpool im Boden ab und der Bekämpfungsaufwand wird mittelfristig kleiner und tragbarer.

Im Mittelland werden vor allem die folgenden zehn Arten bekämpft: 

Es werden nur invasive und potenziell invasive Neophyten gemäss Liste bekämpft, da nur diese nachweislich die Umwelt schädigen. Es kommt manchmal vor, dass ein Neophyt plötzlich als invasiv eingestuft werden muss und dann bereits ziemlich verbreitet ist. Bei dem Einjährigen Berufkraut war das beispielsweise der Fall. Weitaus häufiger werden jedoch etablierte gebietsfremde Arten nicht invasiv. 

Es gibt auch einheimische Pflanzenarten wie Disteln, Blacken, Brennnesseln u. a. welche sich an manchen Standorten stark vermehren können. Dies kann negative Auswirkungen auf landwirtschaftliche Kulturen haben und auch mal in einem Garten ärgerlich sein. Die Tragweite einer solchen Entwicklung ist jedoch immer nur lokal von Bedeutung und nicht vergleichbar mit der Auswirkung invasiver Neophyten. 

Was wir im Garten tun können gegen invasive Arten

Die effizienteste und kostengünstigste Massnahme ist die Prophylaxe.

Bringen Sie keine invasiven, gebietsfremden Arten im Garten oder auf dem Balkon ein.

Wer bereits eine Pflanze, z. B. einen Kirschlorbeer oder einen Sommerflieder, im Garten hat, sollte prüfen, ob darauf verzichtet werden kann. Invasive Pflanzen werden nicht ohne Grund als invasiv eingestuft. Früher oder später nehmen sie immer mehr Raum ein. Wenn nicht im eigenen Garten, dann in der Nachbarschaft. 

Entfernen Sie die invasiven Neophyten in Ihrem Garten und auf dem Balkon fachgerecht.

Die am häufigsten in Gärten verbreiteten invasiven Neophyten werden folgendermassen bekämpft:

Entsorgen Sie ausgerissene Pflanzenteile und abgeschnittene Samenstände mit dem Hauskehricht. Deponieren Sie es nie auf dem Gartenkompost! 

In Gärten erfüllen invasive Neophyten meist eine besondere Funktion. Sichtschutz durch immergrüne Blätter, Blüten zu Zeiten, in welchen viele unserer einheimischen Pflanzen bereits verblüht sind, interessante Blütenfarben und Blattformen. Für jede Funktion gibt es eine heimische Alternative

Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis)© ETH-Bibliothek Zürich / Fotograf: Rudolf Büchli

Neozoen

Auch neu eingebrachte Tiere aus fernen Gebieten können Probleme verursachen. Bekanntestes Beispiel ist der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis). Dieser wurde zuerst zur biologischen Schädlingsbekämpfung in Treibhäusern eingesetzt. Von dort gelangte er schnell in die Landschaft, vermehrte sich stark und bedrängt nun unsere einheimischen Marienkäferarten. Er und seine Larven sind nicht nur etwas grösser als einheimische Arten, sie fressen auch gerne die Eier und Larven anderer Marienkäfer. Ausserdem ist er weniger anfällig für die hiesigen Krankheiten. Gleichzeitig hat er einen Parasiten mitgebracht, der ihm selber nicht schadet, jedoch heimische Arten krank macht. So hat er den einheimischen, kleinen Zweipunkt-Marienkäfer Adalia bipunctata, früher bei uns eine sehr häufige Art, an den Rand des Aussterbens gebracht.

Entlassen Sie auf keinen Fall Haustiere in die Freiheit. Setzen Sie keine Fische, Schildkröten oder anderen Tiere aus. Erstens ist es nach Art. 6 BGF verboten, zweitens gefährden Sie damit die einheimische Fauna.

Ein weiteres Beispiel ist der Goldfisch (Carassius auratus). Das beliebte Aquarientier kann über 25 Jahre alt und mit der Zeit recht gross werden. Es kommt deshalb nicht selten vor, dass Goldfischbesitzer:innen ihre Tiere irgendwann loswerden möchten. Wenn sie dann einfach im nächsten Teich, See, Fluss freigelassen werden, können sie sich vermehren und stabile Populationen bilden. Da Goldfische als Allesfresser auch Laich, Kaulquappen und andere Wasserkleintiere fressen, verändern sie aktiv die Fauna eines Gewässers und gefährden dabei insbesondere Amphibien. 

Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) mit den auffällig schwarzweiss gestreiften Beinen ist mit Transporten und Reiseverkehr als blinder Passagier in die Schweiz gelangt. Im Tessin hat sie sich bereits fest etabliert. Auch auf der Alpennordseite kommt sie bereits an einigen Orten vor (z. B. in Basel, Zürich, Bern). Die Bestände werden überall in der Schweiz kontrolliert und aktiv von den Behörden in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung bekämpft. Asiatische Tigermücken sind ausserordentlich lästig, da sie tagaktiv und aggressiv sind. Sie können den Aufenthalt im Freien damit zur Qual werden lassen. Ihre Stiche sind zudem schmerzhafter als diejenigen unserer einheimischen Stechmücken. Sie können das Zika- und Dengue-Fieber übertragen. Da in der Schweiz diese Krankheiten nicht verbreitet sind, ist das Risiko allerdings sehr klein, es wurde bisher noch kein Übertragungsfall bekannt.

Tigermücken legen ihre Eier in (oft sehr kleine) Behälter mit stehendem Wasser wie Topfuntersätze, Giesskannen, verstopfte Regenrinnen, Regentonnen, vergessene Sandkasteneimer, Planschbecken, Sonnenschirmfüsse, eigentlich überall, wo etwas Wasser 1‒2 Wochen lang steht. Sie legen ihre Eier nicht in belebte Gewässer (Teich, See) oder Fliessgewässer.

Falls in Ihrer Umgebung Tigermücken gemeldet wurden, achten Sie bitte darauf, dass kein Wasser in Topfuntersetzern oder anderen Behältern stehen bleibt. Leeren Sie Gefässe regelmässig auf eine Wiese/einen Rasen aus, dort sterben die Eier ab. Nie auf Asphalt ausleeren, von dort können sie in die Kanalisation gespült werden und sich weiterentwickeln. Decken Sie Regentonnen mückensicher ab.

Falls in Ihrer Umgebung bisher keine Tigermücken gemeldet wurden, Sie aber eine verdächtige Beobachtung machen, melden Sie die Beobachtung bitte.

Informationen zu anderen gebietsfremden Organismen finden sie beim Bundesamt für Umwelt.

Rechtliche Situation

Die Listen der invasiven gebietsfremden Arten (vormals Schwarze Liste und Watch-Liste) sind wissenschaftliche, fachliche Kategorisierungen, die wenig direkte, rechtliche Wirkung haben. Sie dienen als Fachgrundlage bzw. Hinweis.

Die Freisetzungsverordnung (FrSV) regelt den Umgang mit Organismen in der Umwelt auf nationaler Ebene. Selbstkontrolle, Informationspflicht der Abnehmer und Sorgfaltspflicht sind beim Umgang mit bzw. bei der Freisetzung von gebiets- fremden Organismen einzuhalten. Mit denjenigen Arten, die in Anhang 2 der FrSV aufgeführt sind, ist, ausser einer Bekämpfung, jeglicher Umgang verboten. Diese Arten dürfen weder gehandelt oder vermehrt noch eingepflanzt werden. Nach Pflanzengesundheitsverordnung PGesV ist die Einfuhr von Pflanzen, Gemüse, Schnittblumen und Samen aus Nicht-EU-Ländern seit 1.1.2020 verboten.

Quellen

Praxishandbuch Stadtnatur des Haupt Verlags

Siedlungsräume bieten auf engem Raum viele Lebensräume und sind wichtig für die Biodiversität. Dieses Praxishandbuch zeigt, wie Lebensräume erhalten und neu geschaffen werden – und was jede:r tun kann, damit Städte für Tiere und Pflanzen attraktiv bleiben.

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